Der Trend der steigenden Bauzinsen scheint vorerst gestoppt – im Moment ist die Tendenz fallend.
Die Immobilienbranche ist in Bewegung, was sich auch an den Bauzinsen zeigt. Waren diese bis etwa zur Mitte des Jahres zunächst steil angestiegen, sind sie für Baufinanzierungen mit zehnjähriger Zinsbindung in den letzten Wochen wieder um etwa 0,8 Prozent von 3,2 auf 2,4 Prozent gefallen. Diese Entwicklung kommt vor allem all jenen entgegen, die eine Immobilien bauen oder kaufen wollen. Denn die notwendigen Immobiliendarlehen haben sich wieder verbilligt, was die Finanzierung eines Immobiliengeschäfts einfacher macht.
Rückläufiger Trend im Bereich Bauzinsen – Mögliche Ursachen
Die in der ersten Jahreshälfte stark gestiegenen Zinssätze für Immobiliendarlehen hatten zu einer deutlich sinkenden Nachfrage geführt. Hervorgerufen durch die sprunghaft gestiegene Inflation, das geopolitisch extrem angespannte Umfeld und die durch den Krieg in der Ukraine nicht mehr richtig funktionierenden Lieferketten, waren neben den Rohstoffpreisen auch die Bauzinsen gestiegen. In der Folge wurden private und auch institutionelle Investoren vorsichtiger und verschoben vielleicht bereits geplante Investitionen nach hinten.
Es wird für die Zukunft auch darauf ankommen, wie sich die Situation hinsichtlich der Lieferengpässe für Baustoffe und natürlich die Rekord-Inflation entwickeln. Diese beiden Faktoren werden, zusammen mit weiteren, für die Entwicklung der Bauzinsen verantwortlich sein, also dafür sorgen, dass der Zinswert in Deutschland wieder steigt, auf dem momentanen Niveau verharrt oder sinkt.
Ein stabilisierender Faktor im Bereich der Zinsen ist die EZB (Europäische Zentralbank). Alexander Surminski, CEO der Immocation GmbH sagt zu ihrer Rolle: „Die Europäische Zentralbank ist in diesem Fall eine treibende Kraft, kann aber nicht bedenkenlos und permanent die Zinsen erhöhen ohne auf die direkten Konsequenzen für verschuldete Euroländer zu achten. Insoweit ist die EZB mit ihrer Zinserhöhung zu einem großen Teil an einer Stabilisierung der Bauzinsen beteiligt.“
Ein weiteres Kriterium für das Niveau von Bauzinsen ist der Anleihemarkt. Dort waren die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen zuletzt von knapp unter 2 Prozent (im Juni) auf 0,68 und dann auf 0,89 Prozent (Anfang August) stark gefallen, was sich mit zeitlicher Verzögerung auch auf Immobiliendarlehen auswirkte. Für diese Entwicklung war wohl auch die Entspannung im Konflikt zwischen den USA und der VR China hinsichtlich Taiwan verantwortlich. Vorher galten Bundesanleihen in diesem Zusammenhang als sicherer Hafen.
Leitzinserhöhungen der EZB sind nicht auszuschließen und diese hat zudem angekündigt, bei weiter steigenden Zinsen für Wertpapiere Anleihekäufe als stabilisierende Maßnahme zu kaufen. Wenn es zu weiteren Leitzinserhöhungen kommt, könnte dies Ängste vor möglichen Zahlungskrisen hochverschuldeter EU-Staaten wie dem in einer schweren Regierungskrise steckenden Italien auslösen. Eine Folge wäre eine zunehmende Attraktivität von Bundesanleihen sowie ein steigender Kurs derselben, bei gleichzeitig sinkenden Anleihe-Renditen. Dadurch würden auch die Bauzinsen weiter fallen.
Konjunktur als Sorgenkind
Weitere Leitzinserhöhungen haben die Kreditinstitute zwar schon in ihre Darlehensangebote „eingepreist“, was den Zinsanstieg zusätzlich ausbremst, ist eine schwächelnde Konjunktur. Insofern erwarten die Analysten der verschiedenen Banken und Kreditinstitutionen bis zum Ende des Jahres 2022 eher seitwärts gerichtete Bewegungen im Bereich der Bauzinsen für Baudarlehen mit 10 Jahren Zinsbindung mit Höchstwerten zwischen 3 und 3,5 Prozent.
Für private Kauf- oder Bauinteressenten bleibt die Situation schwierig. Wie ein bekanntes Vergleichsportal errechnete, bedeutet der Zinsanstieg in der ersten Jahreshälfte und ein zu erwartender Wiederanstieg auf 3 Prozent enorme Mehrbelastungen, wenn eine Baufinanzierung für mehr als 400.000 Euro gestemmt werden soll. Über einen Zeitraum von zehn Jahren (Zeitraum der Zinsbindung) fallen nämlich 79.000 Euro Mehrkosten an. Ermittelt man auf Basis dieser Summe, um welchen Betrag sich die monatliche Darlehensrate erhöht, kommt man auf 658,33 Euro. Dies ist für eine Familie mit Durchschnittseinkommen kaum zu leisten und bedeutet in vielen Fällen den Abschied vom eigenen Traumhaus.
Immobilienfinanzierung trotz schwierigem Umfeld
Die aktuelle Entwicklung bei den Bauzinsen erfordert ein Umdenken bei allem Beteiligten. Alexander Surminski empfiehlt Kaufinteressenten einen neuen Verhandlungsansatz: „Investoren kaufen Objekte, die sich rechnen. Höhere Zinszahlungen bei konstant bleibendem Einkommen lassen zunächst die Nachfrage bei betroffenen Käuferschichten sinken. Zu beobachten ist ein rückläufiges Transaktionsvolumen, welches das bestätigt. Aus diesem Grund würde ich eher dafür plädieren, mehr mit den Verkäufern zu verhandeln. Zumal bei diesen mehr denn je die Bereitschaft vorhanden ist, beim Preis mit sich reden zu lassen. Denn bei jedem Objekt gibt es einen Preis, ab dem es sich rechnet.“
Laut Expertenmeinung wären Privatinvestoren gut beraten, die genannten Faktoren genau zu beobachten, die im ersten Halbjahr dafür gesorgt hatten, dass die Zinsen gestiegen sind. Zudem ist es für private Investoren sinnvoll, wenn sie die Goldene Regel berücksichtigen und Preisvergleiche durchführen. Das bedeutet, dass sie sich immer mehrere Kreditangebote verschiedener Bankinstitute anschauen. So findet man am einfachsten das Kauf- bzw. Baudarlehen, bei dem man den günstigsten Zinssatz zahlt.
Auch bei höheren Bauzinsen sind Immobilien-Investments sinnvoll
Zugegeben, ein Umfeld mit volatilen, steigenden Bauzinsen ist schwierig und wie sich die Gesamtsituation und damit die bauzinsen entwickeln, ist nicht vorhersagbar. Trotzdem sind Investments in Immobilien sinnvoll, wenn man richtig vorgeht. Denn eine sorgfältig ausgewählte Immobilie eignet sich durchaus als Alternative zu Fonds, Anleihen oder Aktien, weil Immobilien immer noch als „Betongold“ gelten und ihr Wert sich nicht verringert, sondern steigt. Damit dies so ist, sollten Bauherrn oder Käufer die wichtigsten Faktoren, also die Lage, den Zustand sowie die Ausstattung berücksichtigen.
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