Interviews

Interview mit Ayhan Yuruk von Showrooming – „Startups, kommt raus aus eurer digitalen Bubble!“

Könntest Du Dich und dein Unternehmen kurz vorstellen?

Mein Name ist Ayhan Yuruk und ich habe 2017 nach über einem Jahrzehnt Berufserfahrung im Retail Bereich meine eigene NewRetail Agentur #SHOWROOMING gegründet. Haupt Motivation dafür war, dass ich schon früh den sich durch die Generation Z vorangetriebenen Shift im Retail festgestellt habe. Ziel von #SHOWROOMING ist, den stationären Einzelhandel wiederzubeleben und für KonsumentInnen echte Einkaufserlebnisse zu schaffen. Der Store von Morgen ist ein sich ständig wandelnder, inklusiver Ort, der mit den neuesten Technologien ausgestattet ist und die Menschen emotional abholt. Wir wollen Online- und Offline-Handel nicht gegeneinander ausspielen, sondern miteinander verschmelzen und die perfekte Symbiose kreieren.

In welchem Verhältnis stehen Offline- und Online-Handel aktuell?

Man geht fälschlicherweise davon aus, dass Offline- und Online-Handel ein Entweder-Oder sind. Wenn man es richtig anstellt, ist es aber genau das Gegenteil: Onlinehandel und Einzelhandel können miteinander fusionieren und voneinander profitieren. Physische Präsenzen machen es einfacher, neue Kundengruppen zu erreichen und mit einer Marke in Kontakt zu bringen. Nach wie vor testen Kunden Produkte gerne erst im Store. Wird ihnen jedoch schon im Geschäft ein Erlebnis geboten, ist es wahrscheinlicher, dass sie das Produkt auch beim Händler kaufen – sei es online oder offline. Und man sollte trotz des rasanten Zugewinns des E-Commerce nie vergessen, dass der stationäre Einzelhandel mit circa 80% des Absatzvolumens noch immer der mit Abstand stärkste Absatzkanal ist.


Wieso ist es gerade für Startups und Marken mit gänzlich digitalen Produkten wichtig, eine physische Präsenz aufzubauen?

Startups bringen Innovationen und sind echte Problemlöser. Und viele Menschen sind zurecht begeistert von Startups. Gerade diese Begeisterung der Konsumenten sollten Startups nutzen, ihre Marke aufzubauen und zielgruppenspezifisch zu verbreiten. Und da kommt das Werben auf der Fläche wie gerufen! Gerade für Marken ohne Produkte sind multisensorische Erlebnisse wichtig, denn Assoziationen und Emotionen sind der Schlüssel zu einem bleibenden Eindruck und persönlicher Bindung.Man kommt mit der Marke wortwörtlich in Berührung.

Gerade die Zielgruppe für Startup-Produkte, ich denke da vor allem an Generation Z, wünscht sich einzigartige Markenerlebnisse! Ein schöner und optimierter Onlineshop stellt per se noch kein Erlebnis dar. Startups sollten sich aus der digitalen Bubble heraus trauen und dort werben, wo ihre Kunden sind: in der echten Welt. Denn hier können Produkte oder Dienstleistungen getestet werden und man erhält direktes Feedback.

Was kostet denn so eine physische Präsenz im Durchschnitt?

Das kommt natürlich immer darauf an um was für eine Art von physischer Präsenz es sich handelt. Baue ich einen richtigen Store? Oder nur einen temporären Pop-Up-Store? Wie groß muss er sein? Welche Technologien möchte ich einsetzen? Das ist schon sehr individuell, da kann man nicht von vornherein einen Preis nennen. Grundsätzlich muss aber der stationäre Store als Marketingkanal nicht teurer sein Facebook oder Google Ads – und die Konversionsrate, also wie viele der Besucher zu Käufern, Kunden oder Abonnenten werden, ist offline in der Regel höher, man kann seine Zielgruppe auf einer persönlichen Ebene einfacher begeistern und überzeugen.

Mit den vielen Schließungen von Retail-Stores vor allem durch Corona – ist der Retail der Zukunft nicht eher Online zu finden?

Der Retail der Zukunft ist weder nur online noch offline zu finden, sondern er ist omnipräsent und kanalübergreifend! Online und Offline unterstützen sich gegenseitig, ohne e-commerce kann es keinen erlebnisorientierten stationären Store geben, denn dieser müsste ansonsten einen stärkeren Sales-Fokus haben. Daher ist es auch positiv zu bewerten, dass Corona dem Onlinehandel einen erneut riesigen Push gegeben hat. Der stationäre Store kann sich jetzt endlich auf das konzentrieren, was er am besten kann: Persönlichen Kundenservice, Inspiration durch physische Installationen und direktes Engagement,  so wiederum dem Online-Handel zuspielen, die Umsätze zu steigern.

Gibt es Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen?

Viele Unternehmen verstehen inzwischen, welche gigantischen Chancen ihnen der stationäre Handel bietet – AllBirds, Bonobo, Lululemon, sie alle haben inzwischen auch physische Präsenzen. Startups, die vor einigen Jahren als pure Online-Seller an den Start gegangen sind und damit ganze Branchen revolutioniert haben, setzen heute auf physische Präsenz. Man denke an Mister Spex. Die haben damals Brillen ausschließlich online verkauft und damit das ganze Gewerbe auf den Kopf gestellt. Heute finden sich in jeder größeren deutschen Stadt Filialen, in denen der Kunde die Marke erleben kann. Ein physischer Store wird zum Akquise- und Marketing-Kanal, wo die Konsumenten den ersten Kauf tätigen können und anschließend online der Marke treu bleiben.

Und was für Fehler sollte man unbedingt vermeiden?

Der wichtigste Grundsatz im stationären Handel lautet: Sei dort wo deine Zielgruppe ist. Um das herauszufinden, müssen von Anfang an klare KPIs mit der entsprechenden Strategie entwickelt werden. Wer sich hier unsicher ist, sollte definitiv auf professionellen Rat von außen setzen!  Mir fallen spontan ein paar Beispiele ein, bei denen große Unternehmen Werbe- und Kommunikationsagenturen mit der Entwicklung ihrer stationären Markenpräsenz beauftragt haben, und das war keine so gute Idee…

Wie können Retailer vor allem für die Generation Z einen stationären Shop schaffen, wo Markenerlebnis stattfindet?

Generation Z legt einen Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalität. Sie ist mit dem Internet aufgewachsen und will auch im physischen EInkauf nicht die Vorteile des Online-Handels missen. Der Store als erlebbare Alternative zum Online-Marketing muss diese Tendenzen aufgreifen und bedienen. Überraschende, wechselnde Erlebniswelten und Angebote sind für die Relevanz der Marke entscheidend. Geeignet scheint mir dafür z.B. eine Experience-Roadshow, bei der man als Marke durch die größten oder für die Marke relevantesten Städte zieht. In diesem Zuge könnte man auch mit Influencern zusammenarbeiten, die ihre Community mit der Marke verbinden.

Was möchtest du Startups und Investoren mit auf den Weg geben?

Auf jeden Fall, dass sie frühzeitig die Möglichkeit einer physischen Präsenz der Marke mitbedenken! Es liegt in der Natur von Startups, schnell zu wachsen und Reichweite zu generieren, daher ist es gerade hier ratsam, den Gedanken einer physischen Präsenz schon von vornherein einzuplanen und bei kommenden Investionsrunden und Budgetverteilungen zu bedenken. Die Fläche als Marketingkanal ist  für viele Unternehmer neu und deshalb nicht direkt auf dem Radar – ich kann es aber nur jedem empfehlen: Nutzt die Chance, den Kunden direkt anzugehen und für die eigene Marke zu begeistern!

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